Schwerbehindertenausweise mit dem Merkzeichen B, die vor dem 12.
Dezember 2006 ausgestellt worden sind (und das trifft auf fast alle zu),
tragen auf der Vorderseite den Aufdruck:
"Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen."
Diese Formulierung gab immer wieder Anlass zu dem Missverständnis, dass
der Ausweisinhaber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist,
stets eine Begleitperson bei sich zu haben. So wurde und wird
Behinderten ohne Begleitperson zunehmend die Mitnahme in öffentlichen
Verkehrsmitteln und der Zutritt zu Schwimmbädern verweigert. Vereinzelt
sind sogar Gerichte diesem Irrtum erlegen. Amts- und Landgericht
Flensburg haben den Träger eines Wohnheims für Behinderte wegen
Verletzung der Aufsichtspflicht zum Schadensersatz verurteilt, weil er
eine Heimbewohnerin, obwohl in ihrem Ausweis die "Notwendigkeit
ständiger Begleitung" vermerkt war, ohne Begleitperson auf die Straße
gelassen hatte, wo sie einen Verkehrsunfall verursachte.
Deshalb haben der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
und der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und
Beruf (DVBS) vom Gesetzgeber mehrfach gefordert, im SGB IX und in der
Schwerbehindertenausweisverordnung unmissverständlich klarzustellen,
dass es sich bei der Mitnahme einer Begleitperson um einen
Nachteilsausgleich und somit um ein Recht und nicht um eine
Verpflichtung des Schwerbehinderten handelt. Zunächst wurden diese
Initiativen abschlägig beschieden; denn im Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung befürchtete man, dass die angestrebte
Gesetzesänderung zu einer Ausweitung des berechtigten Personenkreises
führen werde. Noch in der letzten Legislaturperiode scheiterte ein
Vorstoß der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag an der rot-grünen Mehrheit.
Inzwischen ist es jedoch gelungen, im Parlament einen breiten Konsens
darüber herbeizuführen, dass die einschlägigen Gesetzesvorschriften und
der Aufdruck auf dem Ausweis geändert werden müssen.
Das ist vor allem das Verdienst der Behindertenbeauftragten der
Bundesregierung, MdB Karin Evers-Meyer (SPD), und des
behindertenpolitischen Sprechers der CDU, MdB Hubert Hüppe. Versteckt
im Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze
vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742 ff.) finden sich die
Neuregelungen zu den §§ 145 ff. SGB IX und der Schwerbehinderten-
Ausweisverordnung. Dort ist nicht mehr von der "Notwendigkeit ständiger
Begleitung", sondern mit der wünschenswerten Klarheit von der
"Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson" die Rede.
Dementsprechend wird seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 12.
Dezember 2006 auf den neu ausgestellten Schwerbehindertenausweisen
neben dem Merkzeichen B vermerkt:
"Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen."
Die vorher ausgestellten Ausweise behalten ihre Gültigkeit. Jedoch kann
der Ausweisinhaber beim zuständigen Versorgungsamt beantragen, dass der
aufgedruckte Vermerk der neuen Rechtslage angepasst wird. Dieser Antrag
ist durchaus zu empfehlen, will man nicht Gefahr laufen, dass der
überholte Vermerk auf dem Ausweis auch weiterhin missverstanden wird.
Der Gesetzgeber hat - dankenswerterweise - noch ein Übriges getan. Er
hat bei der Neufassung des § 146 Abs. 2 SGB IX dem modernen Verständnis
von Behinderung und den (z.B. durch ein Mobilitätstraining) gewachsenen
Fähigkeiten behinderter Menschen Rechnung getragen.
Bisher war nach der genannten Vorschrift die Erteilung des Merkzeichens
B davon abhängig, dass der Schwerbehinderte "bei der Benutzung von
öffentlichen Verkehrsmitteln in Folge seiner Behinderung zur Vermeidung
von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe
angewiesen" ist. Der Hinweis auf die "Vermeidung von Gefahren für sich
oder andere" wurde aus dem Gesetz gestrichen, und es wurde sogar
ausdrücklich geregelt, dass aus der Berechtigung zur Mitnahme einer
Begleitperson nicht geschlossen werden darf, der Berechtigte bilde ohne
eine Begleitperson für sich oder andere eine Gefahr.
§146 Abs. 2 SGB IX lautet nunmehr: "Zur Mitnahme einer Begleitperson
sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei Benutzung von
öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf
Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nicht, dass die
behinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für
sich oder andere darstellt."
Diese Gesetzesänderung ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu dem
Ziel, behinderten Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu
erleichtern.